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Euthanasie – einfach auf den Punkt gebracht.

von Dr. Sylvie Bensinger

„so Facettenreich wie vieles im Leben“ … so liegt in der Zeit des Abschiedes auch eine Zeit der Verantwortung – die Verantwortung unserem tierischen Begleiter ebenso nahe zu sein wie in der vergangenen gemeinsamen Zeit, ihm beizustehen und ihn nicht alleine gehen zu lassen….

(c) Fotolia mantinov

(c) Fotolia mantinov


Auslöser diesen Text zu schreiben sind die vielen Gespräche mit Patientenbesitzern, die Begleitung der Tiere und deren Besitzer in dieser besonderen schmerzvollen, aber auch sehr intensiven Zeit, mit vielen Unsicherheiten und nicht zuletzt aus dem Blickwinkel des Tierarztes – und zu Guterletzt meine eigenen Erfahrungen die eigenen Tiere gehen lassen zu müssen.

Die häufigste Unsicherheit ist die Frage: „wann ist der richtige Zeitpunkt?“ Leider schlafen unsere Tiere selten einfach friedlich ein. Manchmal sind es Akutfälle, die kaum eine Wahl lassen. Aber was, wenn das Tier langsam alt wird und immer weniger kann? Wo ziehen wir da die Grenze? Vorweg noch ein wichtiger Zwischengedanke: auch palliative Medizin ist beim Tier gut möglich und mit adäquaten Therapien kann das leidende Altern lange aufgefangen werden. Wenn es aber nun wirklich zu Ende geht?

 

Auch wenn wir diese Entscheidung einzig und allein im Sinne und zum Wohl unseres Schützlings treffen sollten, so können wir doch meist unsere eigenen persönlichen Bedürfnisse und Gefühle nicht ausblenden…Zuneigung lässt sich nun mal nicht „einfach“ ausschalten.

 

Nicht selten kommen im Alter nach und nach mehrere „Gebrechen“ hinzu. Die Sicht wird schlechter, das Gehör auch, die Beweglichkeit schränkt sich ein. Kommen zusätzliche Beschwerden durch Inkontinenz und nächtliche Unruhe hinzu, taucht die Frage nach der Lebensqualität für Tier und Mensch auf. Hierbei kann eine lange andauernde Beeinträchtigung des Alltags durch Pflege- und Behandlungsmaßnahmen als sehr belastend empfunden werden. Und dies gilt es in dem Moment zunächst einmal zu akzeptieren.

Es ist nicht verwerflich, wenn man nach der x-ten Nacht, mehrfach geweckt durch die Unruhe oder häufigeren Pipigänge, völlig übermüdet denkt: Ich mag nicht mehr!

Die Pflege eines Lebewesens kann anstrengend sein – da sollten wir uns nichts vormachen. Doch die Mühe und Last, die die Haltung eines kranken oder alten Tieres mit sich bringt, es aus dem Leben zu reißen, nur weil es „nicht mehr perfekt“ oder unbequem ist, darf nicht Grund für eine Einschläferung sein.

 

Die Entscheidung hierzu ist allerdings sehr schwer:

  • einerseits sollten wir sie nicht zu leichtfertig treffen,
  • andererseits dürfen wir nicht unverantwortlich handeln indem wir aus Angst vor dem eigenen Verlustschmerz die Schmerzen und Leiden des Tieres dulden.

 

Aber nach welchen Kriterien sollte man entscheiden?

Eine schwierige Frage. Deswegen tun sich Regierungen so schwer für den Menschen klare Richtlinien zu treffen. Weil die Antworten darauf sehr individuell sind!

Leider können wir unsere Tiere nicht direkt fragen. Das heißt, wir müssen versuchen, durch sehr sorgfältige Beobachtung und Einfühlungsvermögen zu erfassen, ob noch „Lebensfreude“ vorhanden ist. Dies wird erfahrungsgemäß auch einer gewissen Tagesform unterliegen. Mit diesen Schwankungen geht man als Besitzer emotional oft mit. Das kann sehr zermürbend sein – hier müssen Sie auf sich aufpassen! Da es manchmal schwer fällt, einen ausreichenden Abstand zu halten, biete ich mich gerne als Gesprächspartner an. Bitte lassen Sie sich nicht von „Nichtfamilienmitgliedern“ verunsichern. Kein Außenstehender kennt Ihr Tier so gut wie Sie. Wenn Sie unsicher sind, werden die meisten Tierarzt-Kollegen Ihnen helfend zur Seite stehen.

Unter dem Aspekt „Lebensfreude“ oder besser „Lebensteilnahme“ gehören vereinfacht die Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, soziale Teilnahme und Bewegung. Wenn ihr Tier im Extremfall nur in einer Ecke liegt und nichts mehr Essen oder Trinken möchte, dann ist es deutlich. Aber schläft es altersgemäß deutlich mehr als früher, wedelt aber wenn sie Kontakt zu ihm aufnehmen und trottet er noch mit Ihnen eine gewisse Strecke und schnuffelt auch mal, dann ist es meist noch nicht soweit. Bitte bedenken Sie, dass gerade in diesem Stadium viele Tiere „emotionale“ Unterstützung brauchen. Schauen Sie öfters nach ihm und bieten Sie ihm Ihre Zuneigung an. Möglicherweise kommt es nicht mehr so oft zu Ihnen, weil es ihm anstrengend geworden ist!

Wichtig ist auch, dass Sie sich in Ihren Liebling als Tier hineinversetzen, seine Lage nicht etwa vom „menschlichen Standpunkt“ aus beurteilen. In erster Linie sollten Sie auf das achten, was Ihnen Ihr Tier selber „mitteilt“. Entscheidend sind letztlich also Art und Ausmaß der Erkrankung und der allgemeine Gesundheitszustand, aber auch das Alter des Tieres und sein individuelles Wesen.

 

Leidet mein Tier im Tod?

Der Ablauf beim Einschläfern

Euthanasie: Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „gutes Sterben“ (Eu = gut, Thanatos = Sterben). Und genau hier liegt unser Anliegen und Bestreben als Ihr Tierarzt: Ihrem Tier das schmerzlose „Einschlafen“, den Eintritt seines Todes und den Gang über die Regenbogenbrücke ohne weiteres Leiden zu ermöglichen.

Generell dem Vorzug zu geben, ist das Einschläfern bei Ihnen zu Hause in der gewohnten Umgebung des Tieres. Erstens ersparen Sie ihrem Haustier den Transport in die Tierarztpraxis und die möglicherweise damit verbundene Panik. Zweitens haben Sie zu Hause genügend Zeit und Ruhe, um von Ihrem geliebten Tier Abschied nehmen zu können.

Grundsätzlich werden Tiere mit einem Narkosemittel eingeschläfert. Ein sogenanntes Narkotikum (Barbiturat) wird wissentlich überdosiert, d.h. in einer „zu großen“ Menge meist in die Blutbahn gespritzt. Sollte das bei unruhigen oder sehr kranken Tieren zu viel Stress bedeuten, wird es zunächst mit anderen Präparaten in eine Narkose gelegt und das Barbiturat als Zweites injiziert. Wichtig zu wissen, dass Ihr Tier hierbei nicht erstickt und die Barbiturate ein friedliches Einschlafen ermöglichen.

Um dem Tier seine Ängste zu nehmen, ist es empfehlenswert, dass Sie es beruhigen, streicheln und vielleicht auf eine gewohnte Decke legen. Sie können auch den Kopf des Tieres festhalten oder auf ihren Schoß legen. Wenn es Ihnen möglich ist, versuchen Sie während dieser letzten Phase Ihr Tier gehen zu lassen und für es stark zu sein. Ihre leisen Tränen bekommt das Tier meist nicht mehr mit. Jedoch können wir unsere sensiblen Lieblinge auch stärken, indem wir unsere eigene tiefe und vielleicht von hemmungslosem Schluchzen begleitende Trauer etwas zurückstellen. Das mag merkwürdig klingen, aber ich habe schon erlebt, dass Tiere Ihre letzte Energie zusammennehmen, um FÜR den Besitzer nicht zu sterben. (Dies kennt man auch bei uns Menschen. Sehr oft sterben die Angehörigen, wenn gerade keiner im Raum ist).

Wenn Sie bis zum letzten Moment dabei bleiben, kann es Ihnen helfen, den Verlust besser zu verarbeiten. Kinder gehen häufig sehr natürlich mit dem Tod um und müssen nicht zwingend ausgeschlossen werden. In jedem Fall sollten Sie sich in Ihrem Interesse von dem toten Tier verabschieden.

Wenn eine Planung im Vorfeld möglich ist, wäre es schön, wenn Sie sich für den Tag des Abschieds genügend Zeit nehmen. Informieren Sie Freunde und Familie, die Sie vielleicht unterstützen können. Akzeptieren Sie im Vorfeld, dass der Abschied von Ihrem Haustier ein Ausnahmezustand für Sie sein wird. Ihrer Tränen und der Gefühle für Ihr Tier brauchen Sie sich nicht zu schämen.

 

Nebenwirkungen während Narkose

Alle Tiere durchlaufen während einer Narkose das sogenannte Erregungs-Stadium. Dabei kann es in sehr seltenen Fällen passieren, dass das Tier anfängt zu krampfen, ähnlich wie bei einem epileptischen Anfall. Es ist dabei längst nicht mehr bei Bewusstsein und spürt davon auch nichts. Verständlicherweise aber erschrecken Sie bei diesem ungewohnten Anblick. Seien Sie versichert, dass dieser Zustand schnell vorüber geht, ohne dass Ihr Tier dabei leidet. In einigen Fällen kommt es während des Sterbe-Prozesses zu einem letzten Muskelzittern oder zu einem letzten tiefen Atemzug. Davon bekommt Ihr Tier gar nichts mehr mit.

 

Vor dem Einschläfern

Auch wenn es schwerfällt, sich mit diesen Gedanken auseinander zu setzen: Denken Sie bereits vorher daran, was mit dem Tierkörper geschehen soll. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Sie können das Haustier einäschern lassen (Anonym oder individuell) oder ein Begräbnis auf einen Tierfriedhof in die Wege leiten. Das Vergraben im eigenen Garten unterliegt einigen gesetzlichen Bestimmungen. So dürfen Tiere die eingeschläfert wurden nicht im Garten vergraben werden, da Narkosemittel ins Trinkwasser gelangen könnten. Desweiteren muss das Grab mind. 60 cm tief sein und der „Sarg“ aus einem schnell abbaubaren Material wie einem Bettlacken, einer Wolldecke oder einen Karton sein. Weitere Bedingungen für die Bestattung sind, dass es sich um das Privatgrundstück des Tierhalters handelt oder aber der Eigentümer des Grundstücks seine Erlaubnis gegeben hat. Das Grundstück darf nicht in einem Wasserschutzgebiet liegen. Außerdem muss ein Abstand von ungefähr anderthalb bis zwei Metern zu angrenzenden Fußwegen gehalten werden.

 

Nach dem Einschläfern

Nehmen Sie in Ruhe Abschied und denken Sie an schöne Zeiten zurück. Ein Trauerritual wie z.B. das Anzünden einer Kerze und das Anschauen von Photos aus dem Leben Ihres Tieres kann in dieser Situation für Trost sorgen. Vielleicht möchten Sie auch ein Erinnerungsstück des Tieres behalten. Auch wenn Sie Ihr Tier nicht beerdigen können, kann es tröstend sein ihm eine kleine Gedenkstätte zu errichten. Besonders Kindern hilft dieses Ritual beim Abschied nehmen. Manchen hilft es sich den Kummer von der Seele zu schreiben. So gibt es auch im Internet Seiten („Regenbogenbrücke“), die einen schriftlichen Abschied ermöglichen.

In den nächsten Tagen erinnern in Ihrem Haushalt verschiedene Utensilien an das Tier, aber allmählich werden Sie Futter- und Trinknäpfe wegräumen und sich von weiteren Dingen trennen, die Ihrem Haustier gehört haben. Der Verlust schmerzt. Es braucht oft lange, bis man diesen Verlust wirklich begriffen und akzeptiert hat. Vor allem auf ältere Menschen muss besonders geachtet werden. Ohne das geliebte Tier fehlt oft ein wesentlicher Lebensinhalt. Das Bewusstsein für ihre eigene Sterblichkeit und die Einsicht, sich möglicherweise keinen neuen Wegbegleiter zulegen zu können, ist eine sehr schwierige emotionale Situation.

Es ist völlig normal, wenn Sie zu Anfangs weder schlafen noch essen können, sich zurückziehen und niemanden sehen oder hören wollen. Allmählich werden Sie Ihr Tier loslassen und zurückblicken können auf eine gemeinsame schöne Zeit. Nach und nach wird man emotional wieder frei, um sich eventuell ein neues Haustier anzuschaffen. Aber jeder verarbeitet Verlust anders. Manch einer erträgt die Stille nicht lange und schaut sehr rasch nach einem neuen Mitbewohner. Auch das ist legitim, wenn Sie damit einem neuen Lebewesen ein schönes Zuhause geben und keinen „Ersatz“ suchen. Sie sollten wieder Platz in Ihrem Herzen haben!

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